Ich habe einen „Red Zone Dog“ ….
Zumindest nach der Definition eines gewissen TV-Hundetrainer ….
Aber was besagt das eigentlich? Nun, der Hund hat ein „Aggressions Problem“ Nur, Aggressionen haben viele Ursachen. Im Falle meines Hundes ist es Angst! Einfach massive Angst!
Mein Hund ist ein Findelkind. Geschätzte 4-6 Wochen alt war sie, als man sie im Gulli fand. Und mit 14 Monaten landete sie dann im Tierheim. Alles in ihrer Kindheit/Jugend ist also Spekulation. Die ersten Wochen zeigte sie nur ihre Angst, und wie freundlich sie sein kann. Doch je mehr sie ankam, desto massiver ging sie nach vorne. Menschen an der Haustür waren das erste – klar dachte ich – territorial, sie passt auf mich auf … HAHA … dann wurde es mehr, Menschen sie sie auf der Straße anschauten, Menschen die sie anfassen wollten, die Liste ließe sich ewig weiterführen. Diese Aussetzer wurden schlimmer. Sie stellte Menschen/Kinder an die Wand und tobte bei Hundebegegnungen an der Leine.
Und mit jedem „Aussetzer“ kamen die „guten“ Tipps … „Du musst der Rudelführer werden!“ – Ich dachte eigentlich immer, ich bin das … MICH respektiert sie!
„Du musst der mal zeigen wo der Hammer hängt!“ – Ich zerre fast panisch meinen Hund vom Auslöser weg …
„Deine Energie stimmt nicht“ – Ja! Ich weiß, ich habe vor jeder Begegnung Angst, dass schlimmeres passiert …
Ich bekam auch gute Tipps wie „Lass sie nicht immer in den Fehler rennen, handle vorher!“ – Ich wich doch jeder Situation aus, soweit ich das sehen konnte …
„was ist dein erwünschtes Verhalten, sag es ihr und belohne sie dafür“ – Sie soll doch einfach nur still sein!
Ich verstand diese Tipps nicht! Ich sah den Unterschied nicht – und im TV sieht das immer sooo einfach aus. doch wie es das Glück meines Hundes wollte, sah ich ein paar Folgen „Hundeflüsterer“ – auf spanisch – und das kann ich nicht gut genug – So habe ich zum ersten Mal nur die Hunde sehen können und habe ihre Angst und ihr Unbehagen gesehen. – Das wollte ich meinem Freund nicht antun.
Und so betrachtete ich die Tipps noch einmal:
„Du musst der Rudelführer werden!“ – Ähm – muss ich das? Kann ich nicht einfach der Freund meines Hundes sein?
„Du musst der mal zeigen wo der Hammer hängt!“ – das weiß sie, in der Kammer an der Werkzeugwand … davor hat sie nämlich Angst! Genau wie vor dem Staubsauber, und besonders vor dem Besen! Soll sie nun auch noch vor mir Angst haben?!
„Deine Energie stimmt nicht“ – oh, da muss ich immer noch zustimmen, denn jeder Aussetzer kratzt am Selbstwertgefühl, man hat Angst vor dem nächsten, vielleicht schlimmeren!
Aber auch die guten Tipps wurden nochmal betrachtet – ich hatte inzwischen einiges gelesen und so wurden sie mir langsam klarer.
- Training:
Ich machte mir eine Liste mit all meinen Problemen, und suchte mir das aus, was mich am meisten beunruhigte in dem Fall Kinder – Mein Hund sollte keine Kinder mehr stellen und verbellen. Mit einer kompetenten Trainerin an der Seite gingen wir dieses Problem an. Das Training war vielschichtig und individuell auf mich und meinen Hund angepasst. Doch Zusammenfassend möchte ich es so beschreiben:
Ich lernte, dass mein Hund nicht „bei Fuß“ an dem Objekt der Angst vorbeigezerrt werden muss!
Ich erinnere mal an diese guten Tipps:
„was ist dein erwünschtes Verhalten, sag es ihr und belohne sie dafür“ – Abstandsvergrößerung statt „still sein“ – hat den Vorteil, funktioniert immer 😉
Und das tollste .. mit dem Training verschwanden einige andere Probleme wie von selber und bei anderen trainierte ich einfach mit angepassten Methoden weiter
„Lass sie nicht immer in den Fehler rennen, handle vorher!“ – nun handelte ich in dem Abstand, in dem mein Hund noch lernen konnte!
Gearbeitet wurde in einem Abstand, bei dem mein Hund noch nicht ausrastete – der Auslöser wurde gezeigt und benannt und die Superbelohnung war eine Abstandsvergrößerung … Mein Hund lernte, man kann auch (an der Leine) weggehen, vor etwas, das Angst macht …. - Management:
Außerhalb der Trainingseinheiten habe ich gelernt Management zu betreiben z.B.: Hundegitter in der Wohnung, damit sie den Besuch nicht stellen kann.Ein Abbruchsignal etabliert, mit dem ich bei plötzlichen Begegnungen das „nach vorne gehen“ umgehend unterbrechen kann.Und natürlich auch einen Maulkorb 😉 Damit wuchs meine Sicherheit im Umgang mit meinem Hund und meine „Energie“ stimmte endlich
Alles in Allem war dieses Training
- bei weiten nicht so spektakulär, wie jenes im Fernsehen
- hat etwas länger gedauert
- war absolut Zielführend!
Stand heute kann mein Hund heute Menschen begegnen und hat keinen Stress mehr damit. Sie weicht unheimlichen Begegnungen einfach aus. Inzwischen kann sie auch mal von sich aus Kontakt zu fremden Menschen suchen oder auch zulassen.
und schafft es heute sogar mit Kindern zu spielen und zu kuscheln 🙂
Der Zeitliche Rahmen:
am 25.Juli werden es 4 Jahre, dass Juni bei mir ist – davon ist das erste halbe Jahr ohne zielführendes Training vergangen, Anfangs waren mir die Probleme auch nicht bewusst, Juni ist mein erster Hund und erst als sie angekommen war haben sich nach und nach die Baustellen offenbart.
nach ca 6 Monaten gab es die ersten Vorfälle die im Laufe der nächsten 12 Monate dann unerträglich wurden.
zu dem Zeitpunkt war ich nervlich ziemlich am Ende – Mit dem Hund vor die Türe gehen bedeutete auch, das etwas passieren konnte …
Erst dann habe ich mir eine endlich gute Trainerin gesucht. Beim Problem Kinder trat bereits nach wenigen Monaten eine deutliche Besserung ein. Wir kamen oft an Kindern ohne Aussetzer vorbei.
Aber es gab auch Rückschläge – Situationen die mich zweifeln ließen! Doch wir haben uns durchgebissen, immer und immer wieder .. und die Aussetzer werden weniger und weniger!
Heute merkt man den „Red Zone Dog“ kaum mehr, ich bekomme nur noch oft zu hören, was für ein relaxter und guterzogener Hund sie ist …
Nichts desto, in meinem Bewusstsein wird sie immer ein gefährlicher Hund bleiben. Und die Angst, dass sie doch mal wieder in altes Verhalten fällt ist da … Vor allem, wenn sie müde ist …
Und es gibt dann auch noch ein paar Baustellen (Besucher empfindet sie immer noch als eine Zumutung) aber diese werden auch weniger und vor allem weniger heftig und sie kann sich schnell wieder beruhigen
Treffe ich heute auf dieselben Anhänger der erstgenannten Methoden, wird uns unterstellt, dass Juni ja nieeeeeee wirklich aggressiv gewesen sei, denn einen solchen Hund könne man nicht mit „Wattebäuschen“ Methoden therapieren ….